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The New Coolnezz

Lost into the blue

„Zuerst gibt es ein Nichts, dann ein tiefes Nichts, und schließlich eine blaue Tiefe.“ Derart philosophisch beschrieb der französische Maler und Bildhauer Yves Klein (1928 – 1962) die Wirkung seines patentierten, leuchtenden Blautons. Ein Blau, in dem der Betrachter – sofern er sich darauf einlässt - geradezu versinken kann. Was in der bildenden Kunst funktioniert, lässt sich auch auf die Musik übertragen. Das beweist die Sopran- und Altsaxofonistin Ilona Haberkamp mit ihrer Band „The New Coolnezz“. „Lost into the Blue“ heißt das neue Album des Quintetts, durch das sich ein blauer Faden zieht. Ein monochromes Kaleidoskop, das mit unterschiedlichen Bedeutungen, Facetten und Stimmungen der Farbe Blau spielt.

Ilona Haberkamp mit Ack van Rooyen - Lost into the blue

Für die Produktion von „Lost into the Blue“ konnte die Saxofonistin auf bewährtes Personal zurückgreifen, darunter auf den Pianisten Frank Wunsch, sowie auf Ack van Rooyen. Auch mit seinen bald 88 Jahren versteht es der niederländische Grand-Seigneur des Jazz, seinem Flügelhorn äußerst weiche und gefühlvolle Töne zu entlocken, die den Kompositionen eine unverkennbare Note verleihen. So wie in „Song for Lost Friends“, in dem van Rooyen einen sehr persönlichen Blick auf die Schattenseiten des Älterwerdens wirft. „Das Traurigste daran ist, wenn Freunde, um einen herum gehen müssen“, so der Niederländer.
Dass er und Haberkamp prächtig harmonieren, beweisen Stücke wie „La Note Bleue“. In dieser zärtlichen Ballade verschmelzen Klassik und Jazz in Haberkamps Saxofon- und van Rooyens Flügelhornlinien zu einer klangvollen Einheit. Der Titel bezieht sich auf den gleichnamigen französischen Spielfilm, der von den letzten Tagen des Komponisten Frédéric Chopin auf Mallorca erzählt. Viele seiner Kompositionen waren von einer „Note Bleue“ gekennzeichnet, einer hörbaren Portion Melancholie, wie es Chopins Geliebte George Sand einst formulierte.

Ilona Haberkamp Ack van Rooyen Lost inot the blue

„Ack ist für mich nicht nur ein wunderbarer Mensch, sondern auch ein fabelhafter Musiker, die europäische Antwort auf Chet Baker“, beschreibt Haberkamp die besonderen musikalischen Qualitäten ihres niederländischen Spielgefährten. Mit „I Fall in Love too Easily“ hat sie einen Standard neu arrangiert, der in der von Chet Baker gesungenen Version zum Hit wurde und sich farblich perfekt ins Album einfügt.
Heiter-melancholische Stimmung verströmt der Einstieg ins Album - der von Frank Wunsch komponierte „Blues for Erik Satie“. Der französische Komponist (1866 – 1925) galt als Exzentriker, der mit seinen Kompositionen die Neue Musik, den Jazz und die populäre Musik gleichermaßen beeinflussen sollte. Schlicht und eingängig waren sie, was ihn aus heutiger Sicht – wie es „Der Spiegel“ formulierte – zu einer Art „Vorreiter des Klingeltons“ macht. „Ein Komiker“, könnte man auch sagen, schmunzelt Haberkamp. „Er selbst wäre vermutlich sehr erheitert, wenn er wüsste, wie wohlwollend seine Kompositionen heute - im Vergleich zu früher - aufgenommen werden.“
Abschließend werfen „The New Coolnezz“ einen Blick in die unergründbaren Tiefen des blau schimmernden Ozeans. „How Deep is the Ocean“ – ein Standard von Irving Berlin – erweist sich als klug gewählter, swingender Rausschmeißer, der zugleich die Live- Qualitäten des Ensembles unterstreicht. Wenn van Rooyen kurz vor dem letzten Ton eine Zäsur setzt und das Darmstädter Publikum, hörbar erheitert, gemeinsam mit Pianist Frank Wunsch das Stück vollendet, wird deutlich, dass die Musiker ihren Gästen an diesem Abend ein himmlisches Vergnügen bescherten.